Die folgenden Auszüge sind aus dem Englischen übersetzt und stammen aus einem Artikel von Sixtine van Outryve im Roar Magazine (roarmag.org/essays/paris-commune-yellow-vests)
… Obwohl der Begriff Kommunalismus während der Pariser Kommune entstand, um deren Aktivität zu bezeichnen, ist er heute auch als die politische Theorie bekannt, die von Murray Bookchin entwickelt wurde. Der Bezug zur Pariser Kommune ist klar, wie Bookchin in The Next Revolution schreibt: “Das Wort entstand in der Pariser Kommune von 1871, als die bewaffnete Bevölkerung der französischen Hauptstadt Barrikaden errichtet, nicht nur um den städtischen Rat von Paris und seine administrativen Strukturen zu verteidigen, sondern auch, um eine landesweite Konföderation von Städten und Dörfern zu erschaffen, die den republikanischen Nationalstaat ablösen sollte.”
Gemäss der politischen Philosophie des Kommunalismus ist die Kommune die wichtigste politische Einheit, in der die Gemeinschaften ihre Angelegenheiten direkt regeln, mittels Volksversammlungen, die auf “face-to-face” und direkter Demokratie beruhen. Genauer gesagt “strebt sie danach, die Regierungs-Institutionen von Städten radikal zu restrukturieren und in demokratische Volksverammlungen, basierend auf Nachbarschaften, Kleinstädten und Dörfern, zu verwandeln. In diesen Volksversammlungen … befassen sich die Bürger*innen um die kommunalen Angelegenheiten auf einer Face-to-face-Basis, indem sie politische Entscheidungen in einer direkten Demokratie fällen.”
Für Themen, die über die Tragweite der Gemeinde hinausgehen, setzt der Kommunalismus voraus, dass sich Gemeinden gemäss dem konföderalistischen Modell organisieren, das Bookchin so beschreibt: “ein Netzwerk von administrativen Räten, deren Mitglieder oder Delegierte von demokratischen face-to-face Bürger*innenversammlungen in den verschiedenen Dörfern, Kleinstädten und Quartieren der Grosstädte gewählt werden. Die Mitglieder dieser konföderalen Räte sind streng mandatiert, rückrufbar und verantwortlich gegenüber den Versammlungen, die sie nur zum Zweck wählen, Entscheide der Versammlungen zu koordinieren und umzusetzen. Ihre Funktion ist also eine rein administrative und praktische, nicht eine, die politische Entscheide fällt, wie es die Funktion von Repräsentant*innen in republikanischen Regierungssystemen ist.”
Kommunalismus fordert autonome, direkt-demokratische Gemeinden, die als Konföderationen organisiert sind und mit den Nationalstaaten in direkter Konkurrenz um politische Legitimität stehen, mit dem Fernziel, die Staaten dereinst abzulösen. Bookchin weist somit die politische Einheit “Nationalstaat” und das Modell der repräsentativen Demokratie zurück, die zusammen das Paradigma setzen, um das herum unsere moderrne Politik strukturiert ist. Dem Modell der Staatsräson, “in dem Individuen einen beschränkten Einfluss in politische Abläufe haben aufgrund der Grenzen der repräsentativen Regierung”, …, setzt er Politik entgegen, verstanden als “die gesellschaftliche Arena und die Institutionen, in denen die Menschen demokratisch und direkt ihre kommunalen Angelegenheiten regeln.”
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Die Pariser Kommune war durchs ganze 20. Jahrhundert hindurch bis heute eine Referenz für die radikale Linke. Während ihr Vermächtnis in vielen Bewegungen gefunden werden kann, werde ich mich hier auf die kommunalistische Gelbwesten-Bewegeung (gilets jaunes) in Commercy fokussieren, einer ländlichen Kleinstadt im Nordosten von Frankreich. Die Gelbwesten von Commercy waren von Beginn an in Bürger*innenversammlungen organisiert und folgten den Prinzipien der direkten Demokratie. In ihrer Baracke, ohne Führer*innen oder Repräsentant*innen, hielten sie tägliche Versammlungen, um zu debattieren und kollektiv Entscheidungen zu treffen, indem sie über alles abstimmten – von Kugelschreibern und Bechern bis zu Flyern und Aktionen, und dies mittels einer Majoritätsabstimmung, aber im Bemühen, Konsens zu finden …
Diese Bürger*innenversammlungen waren sehr ähnlich wie die Distriktversammlungen und revolutionären Clubs der Pariser Kommune: eine ständige Versammlung der Bevölkerung, offen für alle, ein Treffen von Nachbarn, um über politische Themen zu debattieren und zu entscheiden, Poltitik verstanden als eine de-professionalisierte Aktivität, Kritik an der repräsentativen Politik, Organisation von Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Das Ideal von Politik als tägliche Aktivität von allen wurde jeden Tag umgesetzt. Ausserdem kamen bald die Prinzipien des imperativen und rückrufbaren Mandats hinzu, ähnlich wie diejenigen, die während der Pariser Kommune praktiziert und gefordert wurden …
Bildquelle: Roar Magazine
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