Das Buch “The Future Is Degrowth. A Guide to a World beyond Capitalism” gibt eine umfassende Übersicht über Wachstumskritik, Degrowth-Bewegung und Strategien zur Realisierung von institutionell bis zur Gegen-Hegemonie von unten.
Degrowth wird zurzeit wieder vermehrt diskutiert, nicht nur wegen der gegenseitigen Annäherung von Degrowth-Bewegung und Ökosozialismus, sondern auch wegen der aktuellen Neuerscheinung “The Future Is Degrowth. A Guide to a World beyond Capitalism” (Juni 2022). Es handelt sich um eine expandierte Version des deutschen Originals “Degrowth/Postwachstum zur Einführung” (2019) von Matthias Schmelzer und Andrea Vetter, in Zusammenarbeit mit Aaron Vansintjan.
Degrowth propagiert eine Abkehr davon, dass Wohlstand und Entwicklung mit Wirtschaftswachstum gleichgesetzt wird. Im Gegenteil müssen die nicht nachhaltigen Teile der Wirtschaft wie etwa Ölindustrie und Bergbau schrumpfen, während andere Teile, wie der öffentliche Sektor und Gesundheit, durchaus wachsen dürften. Der exzessive Konsum der reichsten Prozent, vor allem im globalen Norden, muss sinken. Diese Transformation muss auf eine sozial gerechte Weise vollzogen werden, besonders in Rücksicht auf die arbeitende Klasse und die Länder im globalen Süden.
Das Buch “The Future Is Degrowth” analysiert zuerst das Wirtschaftswachstum und die Kritik daran, bevor es eine Übersicht über die verschiedenen Strömungen innerhalb der Degrowth-Bewegungen gibt und Wege aufzeigt, die in eine Degrowth-Gesellschaft führen können. Grob gesagt gibt es fünf Degrowth-Visionen:
– institutionell orientiert
– Suffizienz-orientiert
– Commoning/alternative Ökonomien
– feministische Strömung
– postkapitalistische/globalisierungskritische Strömung
Bezüge zu Bookchin
Die Autor*innen sind klar links und klassenkämpferisch positioniert und kritisieren sowohl rechtsnationalistische Knappheitsnarrative, als auch “grünen Kapitalismus”, individualistische Lösungen und verwässerte, liberale Vorstellungen von einem “Green New Deal”. Sehr umfassend rekapitulieren sie Diskussionen innerhalb der Ökonomie und der Ökologie. In diesem Zusammenhang erwähnen sie auch philosophisch-utopische Traditionen, von William Morris bis zu Ursula K. Le Guin.
Unter anderem beziehen sie sich auf Murray Bookchin, der im Buch mehrmals erwähnt wird, und widmen ein (kurzes) Kapitel der Sozialen Ökologie. Als ökologischer Humanist hat Bookchin einerseits die liberale Idee des Individuums als isoliertes Wesen bekämpft, andererseits Freiheit und Autonomie hochgehalten und Autorität und soziale Hierarchien zurückgewiesen. Er warnte sowohl davor, in einen Natur-Romantizismus zu verfallen, als auch vor dem Produktivismus, also dass die Natur durch Technologie “beherrscht” werden könnte. Mit seiner Sozialen Ökologie legte er dar, wie das ausbeuterische Verhältnis zur Natur von sozialen Machtbeziehungen zwischen Menschen abgeleitet ist, wie Klasse, “Rasse”, Geschlecht, Alter usw.
Schmelzer/Vansintjan/Vetter weisen auf die Verbindung von Naturbeherrschung und patriarchaler, rassistischer und Klassen-Unterdrückung hin, beispielsweise in Form von unbezahlter Hausarbeit von Frauen oder in Form von rassistischen Grenzregimes. Die Überwindung einer hierarchischen Gesellschaft-Natur-Beziehung bildet so die Grundlage, um Herrschaft im Allgemeinen zu überwinden.
Im Kapitel über Degrowth-Visionen führen sie ein schönes Bookchin-Zitat auf, das die Wichtigkeit des utopischen Denkens herausstreicht: “Daydreams are pieces of imagination, they are bits of poetry. They are the balloons that fly up in history.”

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