(Buchbesprechung)
In diesem schmalen Band steckt viel drin: Vergesellschaftung, Daseinsvorsorge für alle, demokratisches Entscheiden über Wirtschaft und Land, Kritik des privaten Reichtums als Ausschluss von anderen Menschen, radikale Fülle, konkrete Utopie. „Öffentlicher Luxus“ gibt Ideen und Leitlinien für den aktuellen Vergesellschaftungs-Diskurs.
Diese Utopie mag für viele kaum vorstellbar sein, aber eigentlich liegt sie ganz nah: eine kosten- und bedingungslose Grundversorgung für alle. Der Sammelband „Öffentlicher Luxus“, herausgegeben von Communia und BUNDjugend, lässt greifbar werden, wie schön die Welt sein könnte, wenn sie nicht nach Marktlogik und Konkurrenz aufgebaut wäre. Wohnraum in den Städten wäre wieder zugänglich, weil Immobilien keine Geldanlagen mehr wären. Freizeitangebote wie Schwimmbäder oder Bibliotheken wären kostenlos und Einrichtungen des täglichen Lebens, wie Kinderhorte, öffentliche Kantinen, soziale Zentren usw. wären möglichst in jedem Quartier vorhanden. Aufs Auto könnten die meisten verzichten, weil der öffentliche Verkehr stark ausgebaut wäre. Sorgearbeit würde nicht mehr in profitorientierten Privatunternehmen oder als externalisierte, unbezahlte Arbeit geleistet, sondern kollektiv organisiert. Eine Polizei, die wie heute nur dazu dient, bestehende Machtverhältnisse aufrecht zu erhalten, wäre nicht mehr nötig, und rassifizierte Menschen wären nicht ständig mit rassistischen Kontrollen konfrontiert. An die Stelle der uneingelösten Versprechen des Kapitalismus träte eine effiziente und bedürfnisorientierte Versorgung. Eva von Redecker bezeichnet diesen gesellschaftlichen Zustand in ihrem Kapitel als „unverzichtbarer Fülle“.
Beim Lesen des 160 Seiten umfassenden Buchs wird einem klar, dass die neoliberale Doktrin der letzten Jahrzehnte eine dreiste Lüge war. Bahnfahren, Mieten oder Gesundheitsversorgung sind teurer geworden, während Investitionen in Unterhalt und Angebotsverbesserung abgenommen haben – das Geld floss direkt in die Taschen der Unternehmer*innen. Und nicht nur Geld, das von Kund*innen bezahlt wurde, sondern auch Steuergelder, also kollektiv erwirtschafteter Reichtum.
Gleichzeitig sind es die wenigen Reichen und Superreichen, die am meisten Verantwortung für die Klimakrise tragen. In seinem Beitrag stellt der Journalist George Monbiot der privaten Suffizienz, die von uns allen erwartet wird, den öffentlichen Luxus entgegen: Ja, um Resourcen zu schonen, müssen wir uns auch individuell einschränken – aber wir sollten alle genug haben. Ein Mehr-als-genug hingegen ist schädlich. Privater Luxus – das wird einem beim Lesen bewusst – ist nicht nur eine Lüge des Kapitalismus (da gar nicht für alle erreichbar), sondern ein bewusster Ausschluss anderer Menschen. Eigentum ist exklusiv. Öffentlicher Luxus hingegen bedeutet Wohlstand für alle. Monbiot fordert deshalb eine Obergrenze für Reichtum.
Womit auch die Eigentumsfrage gestellt ist. Öffentlicher Luxus bedeutet demnach Vergesellschaftung. Eng damit verbunden ist das Verhältnis der Gesellschaft zu Land und Natur: Gehört der Boden Einzelnen oder wird er gemeinsam genutzt? Das Kapitel von Communia geht diesbezüglich unter anderem auf die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ein.
Demokratisch entscheiden, wie wir wirtschaften
Das Buch betont ferner die demokratische Planung: Über Daseinsvorsorge müsste demokratisch entschieden werden, aber auch über manche wirtschaftlichen Sektoren wie Energie und Wasser. Klimaschädliche Produktionsbetriebe müssten umgestaltet werden – demokratisch und im Sinn einer „just transition“, sodass Klimaschutz und Arbeitskämpfe kein Widerspruch mehr sein müssen. Astrid Schöggl beschreibt, wie eine Gewerkschaftsbewegung für Öffentlichen Luxus denkbar wäre und wo momentan die Schwierigkeiten liegen.
Weitere Beiträge schaffen den Bezug zu Klimakämpfen und Klimagerechtigkeit (BUNDjugend), Rassismus (Simin Jawabreh), Ernährung und Landwirtschaft (Anne Klingenmeier/Gesine Langlotz). Barbara Fried und Alex Wischnewski reden über Vergesellschaftung aus feministischer Sicht und zeigen Möglichkeiten in der Kommunalpolitik, auf eine „Sorgende Stadt“ (etwa in Anlehnung an die „sorgenden Superblocks“ in Barcelona) hinzuwirken. Im Einstiegskapitel schliesslich spricht Nancy Frazer von demokratischer Wirtschaft als Wiederaneignung des kollektiven Reichtums.
Viele Passagen in dem Buch erinnern übrigens an die Utopien, die Murray Bookchin bereits in den 1960er-Jahren beschrieben hat, unter anderem mit seinem Konzept der Post-Knappheit. Ein erneutes Lesen seiner Werke könnte für die Vergesellschaftungs-Bewegung – die gerade eine riesigen Aufschwung erlebt, wie Bücher wie „Öffentlicher Luxus“ oder die kürzliche Vergesellschaftungs-Konferenz zeigen – sehr wertvoll sein. Die Gesellschaft kommunalistisch und konföderalistisch mit Versammlungen und Räten zu organisieren, ist Bookchins Vorschlag, wie die Demokratisierung, die im Buch immer wieder gefordert wird, konkret umgesetzt werden könnte.
communia & BUNDjugend (Hrsg.): Öffentlicher Luxus, Karl Dietz Verlag Berlin, 2023
Themenschwerpunkt in der WOZ:
https://www.woz.ch/2401/oeffentlicher-luxus/das-vorgluehen-der-zukunft/!9VJCQDF859KE
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