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500 Jahre Bauernkrieg: Kampagne „500 Jahre Widerstand“

Im Jahr 1525 erhoben sich in Süd-/Mitteldeutschland und angrenzenden Gebieten die „einfachen Leute“ gegen Adel und Klerus. Heutige widerständige Bewegungen können sich positiv auf dieses Grossereignis beziehen, das alternative Modelle zu Herrschaft und Ausbeutung am Horizont aufscheinen liess – auch wenn die Aufstände schliesslich blutig niedergeschlagen wurden. Die Kampagne „500 Jahre Widerstandmacht im laufenden Jubiläumsjahr mit Aktionen und Projekten auf diese vergessene revolutionäre Tradition aufmerksam, mit besonderem Blick auf die Geschichte von Dorf und Land, der Kolonisierten und der Frauen und weiterer unterdrückter Geschlechter.

Überall auf der Welt sind kleinbäuerliche, kommunale Lebensweisen unter Druck. Landgrabbing bedroht traditionelle Gemeinschaften und drängt auch die letzten, bisher verschont gebliebenen Territorien in die scheinbare Alternativlosigkeit des „kapitalistischen Realismus“, wie wir ihn in Europa seit rund 500 Jahren kennen.

Vor 500 Jahren – was ist damals passiert? Der Feudalismus war als Gesellschaftssystem nicht mehr zeitgemäss; frühe Formen von Kapitalismus und Kolonialismus strebten zum Durchbruch. Von dieser wirtschaftlichen Entwicklung angestachelt, begannen der Adel und der Klerus, ihre Untertanen immer stärker auszupressen. Abgaben wurden bis zur Grenze des Erträglichen erhöht, Frondienste ausgeweitet und bisher gemeinschaftlich genutztes Land eingezäunt, um es zu monetarisieren.

Die Leuter liessen sich das jedoch nicht gefallen: Die frühe Neuzeit war von zahlreichen bäuerlichen Aufständen und konspirativen Umtrieben geprägt, etwa dem „Bundschuh“ oder dem „Armen Konrad“. 1525 trat aber etwas nie zuvor Dagewesenes ein: In verschiedenen Gebieten schlossen sich Bäuer*innen zu sogenannten „Haufen“ zusammen und stellten Forderungen an die Obrigkeit. Wie ein Flächenbrand griff die Bewegung um sich, die bald vom Elsass über Süddeutschland bis Tirol und Salzburg, von Zürich bis Thüringen reichte. In die Geschichte ist das Ereignis als „Bauernkrieg von 1525“ eingegangen, aber entgegen dem Namen waren nicht nur die Bäuer*innen beteiligt, auch Handwerker*innen und Städter*innen schlossen sich ihnen an.1

Zwölf Artikel

Ein zentrales Moment waren die „Zwölf Artikel“, die eine Zusammenkunft der Bauernschaft im März 1525 verfasste. Dank dem Buchdruck verbreiteten sich diese Forderungen in kurzer Zeit im ganzen damaligen Reich. Die Geschichte des Bauernkriegs kann deshalb massgeblich auch als eine Medienereignis gesehen werden.

Eine grundlegende Forderung lautete, dass die „Obrigkeit“ sich am „gemainen Nutz“ (Gemeinnutzen) orientieren soll, nicht am Eigennutz der Herrschenden. Für heutige Ohren klingt das sehr vertraut; auch heute werden Forderungen laut, dass nicht Profitlogik und die Bereicherung Weniger die Triebfeder der Gesellschaft sein soll, sondern das Gemeinwohl, die Befriedigung der Bedürnisse aller Menschen, oder kurz: „Das gute Leben für alle.“ Einige der zwölf Artikel bezogen sich explizit auf Landrechte, auf die „Allmende“. Die Menschen wehrten sich dagegen, dass ihre früheren Nutzungsrechte von Weiden, Wäldern, Jagd- und Fischereigebieten immer mehr eingeschränkt wurden – ein deutliches Plädoyer für kommunalen Besitz im Gegensatz zu Privatbesitz.

Titelblatt der Memminger Artikel, die im März 1525 während des Deutschen Bauernkriegs verfasst wurden. Es zeigt bewaffnete Bauern mit einer Auswahl an Waffen. Public domain, via Wikimedia Commons
Titelblatt der Memminger Artikel, die im März 1525 während des Deutschen Bauernkriegs verfasst wurden. Es zeigt bewaffnete Bauern mit einer Auswahl an Waffen. Public domain, via Wikimedia Commons

Weitere Forderungen zielten auf (kommunale) Selbstverwaltung ab. Damit skizzierten die Aufständischen eine weitere utopische Alternative – analog zum Gegensatzpaar Allmende/Privatbesitz: die Alternative zwischen einer, heute würden wir sagen „basisdemokratisch“, verwalteten Lebensweise und einem Herrschaftssystem, das immer zentralistischer, autoritärer und bürokratischer wurde. In den Zwölf Artikeln drückt sich das unter anderem in der Forderung nach der kommunalen Pfarrwahl aus. Das klingt erst mal nach einer rein religiösen Angelegenheit. Es muss aber beachtet werden, dass die vor Kurzem aufgekommene Reformationbewegung den Menschen neue Denkweisen eröffnete und die Kirchgemeinden wesentliche Orte der kommunalen Sozialisierung waren, neue Diskursräume und Perspektiven eröffneten – durchaus emanzipatorische. Während Reformatoren wie Luther die Freiheit auf die religiöse Freiheit beschränken wollten, verstanden sie viele Menschen damals auch als weltliche, materielle, politische Freiheit. Die Zwölf Artikel forderten somit auch die Aufhebung der Leibeigenschaft (die sowieso nicht mehr zeitgemäss war und an einigen Orten in der Folge von 1525 allmählich abgeschafft wurde). Aber es ging eben auch um „verwaltungtechnische“ Realitäten, und dazu gehörte, dass eine Kommune sich ihren Pfarrer – eine für das ideologische Selbstverständnis wichtige Person – selber bestimmen durfte.

Die verpasste Chance des Konföderalismus

Über diese Forderungen, die auch als „kommunalistisch“ bezeichnet werden könnten, hinaus brachten die Bauernaufstände auch auf überterritorialer Ebene ein Alternativmodell ins Spiel: ein konföderales Modell aus verbündeten Dörfern, „Haufen“ und Städten. Eine solche Konföderation, auch wenn sie nur in Grundzügen bestand, grenz sich sowohl vom feudalistischen Reich mit den Territorrialherren ab, als auch von dem, was nachher kam, dem Nationalstaatensystem mit der parlamentarischen Demokratie. Mit der „Memminger Bundesordnung“, die zeitgleich mit den Zwölf Artikeln entstand, legten die Aufständischen eine Art „Verfassung“ eines solchen konföderalen Systems vor.

Leider blieb der konföderale Weg eine verpasste Chance. Obwohl die „Haufen“ am Anfang militärisch erfolgreich waren und viele Schlösser und Klöster einnahmen, wurden sie kurz darauf in entscheideden Schlachten geschlagen. Die Herrschenden übten eine blutige Siegerjustiz aus (Triggerwarnung: Historische Abhandlungen zum Bauernkrieg sind voll mit Gewaltdarstellungen), insgesamt gab es bis zu 75‘000 Todesopfer.

Bauernkrieg als Vorbild für heutige Bewegungen?

Für die heute vorherrschende Geschichtsschreibung ist das Kapitel mit der Niederschlagung der Aufstände zuende. Wohl habe es seitens der Herrschenden einige Zugeständnisse an die Forderungen gegeben, aber für die nächsten Jahrhunderte sei erst mal Schluss mit Aufständen gewesen. Der absolutistische Staat habe sich als modernere Gesellschaftsform bald durchgesetzt, was schliesslich zum heutigen System von Kapitalismus und Nationalstaaten geführt habe.

Diese Geschichte vergisst jedoch, dass es auch nach 1525 Widerstand gegen Herrschaft und Kapitalismus gab. Nicht nur im Zentrum des Weltsystems, sondern auch in den kolonialisierten Gebieten. Umgekehrt können heutige widerständige Bewegungen selbstbewusst auf den Bauernkrieg von 1525 zurückblicken, wenn sie ihn als Ausdruck einer langen revolutionären Tradition erkennen, der sie selber auch angehören. Die Bäuer*innen von 1525 stellten ähnliche Forderungen wie heutige (klein-)bäuerliche Bewegungen, beispielsweise das Bündnis La Via Campesina. Ebenfalls wird heute deutlich, dass eine feministische Auseinandersetzung mit dem Bauernkrieg von 1525 nötig ist. Dass kommunale, kleinbäuerliche, indigene Lebensweisen eng mit der Rolle der Frauen verknüpft ist, hat beispielsweise Silvia Federici gezeigt.

Die Kampagne „500 Jahre Widerstand“ im Jahr 2025

Der Bauernkrieg von 1525 bietet also zahlreiche Anknüpfungspunkte: für Feminismus, für Kommunalismus, für Antikolonialismus, für (klein-)bäuerliche Anliegen, für Vergesellschaftung und Allmende, für Land- und Wasserkämpfe, davon ausgehend auch für ZADs und Waldbesetzungen, für soziale Ökologie und die Klimabewegung.

Vor einiger Zeit haben sich verschiedene Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen zur Kampagne „500 Jahre Widerstand: Für das Land – für das Leben“ zusammengeschlossen. Das Bündnis ist basisdemokratisch und organisiert sich in mehreren geografischen und thematischen Arbeitsgruppen. Es bestehen ausserdem internationalistische Bezüge zu widerständigen Kämpfen in

Abya Yala („Amerika“) und dem Mittleren Osten. Bereits im Mai 2024 fand ein grosser Kongress bei Kassel statt, es gab Onineveranstaltungen und im laufenden Jahr sind verschiedene Aktionen und Projekte geplant, von Podcasts und Artikeln über Erzählcafés und Scheunenkinos bis zu Solidaritätsaktionen und Arbeitseinsätzen. „Offizielle“ Anlässe und die Berichterstattung zu 1525 sollen kritisch begleitet werden. Besonderes Augenmerk gilt der Geschichte der Frauen und anderer unterdrückter Geschlechter, die oft unsichtbar gemacht wird. Hier ist das Projekt „500 HERSTORIES – stories of the land“ zu erwähnen, an Mitwirkung interessierte Personen sind eingeladen, sich an 500herstories@posteo.org zu wenden. Aktuelle Infos zur gesamten Kampagne sind auf der Website von „500 Jahre Widerstand“ zu finden.

Kampagne „500 Jahre Widerstand“: 500jahre.org
E-Mail: info@500jahre.org
Instagram: @500.jahrewiderstand

Weitere interessante Links:

Ein Artikel der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL)
https://www.abl-ev.de/initiativen/bauernkrieg-1524-1525

Texte zu „500 Jahre“ von der Initiative Demokratischer Konföderalismus
https://www.i-dk.org/category/500-jahre

Florian Hurtig: 500 Jahre Bauernkriege. Widerstand gegen Landraub und Ausbeutung von 1525 bis heute.
https://www.mandelbaum.at/buecher/florian-hurtig/500-jahre-bauernkriege


1 Zutreffender wäre deshalb die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung „Revolution des gemeinen Mannes“ (die entgendert werden müsste, vielleicht als „Revolution der einfachen Menschen“).


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