Ein Bündnis linker Organisationen ruft in Frankreich dazu auf, für die Kommunalwahlen 2026 libertäre munizipalistische Listen zu bilden. Ihr Programm: direktdemokratische Volksversammlungen, Konföderation der Kommunen, soziale Ökologie, Wiederaneignung der Allmende …
Das folgende Communiqué ist am 16. Spril 2025 von L’Offensive, PEPS, Sainté Populaire, Nosotros Marseille, Haubourdin alternative citoyenne und NP2C veröffentlicht worden. Übersetzung aus dem Französischen: NfK
Für libertäre munizipalistische Listen überall in Frankreich
Wir, kommunalistische, ökologische, feministische, antirassistische und radikal linke Organisationen, rufen dazu auf, munizipalistische Listen für die Kommunalwahlen von 2026 zu bilden oder ihnen beizutreten.
Wir erleben einen Anstieg von faschistischen Ideen in der politisch-medialen Sphäre und eine noch nie dagewesene ökologische und soziale Krise. Im Angesicht dessen verweigern wir uns der Wahl zwischen der Verachtung der herrschenden Klasse und dem Verrat der „Regierungslinken“. Wir weigern uns ebenso, uns auf eine Position des passiven Widerstands einschränken zu lassen, ohne eine Alternative vorzuschlagen.
Es ist deshalb dringend notwendig, einen emanzipatorischen Horizont zu skizzieren, ein ehrgeiziges Gesellschaftsprojekt zu schmieden, um unseren Planeten bewohnbar zu halten, die Ungleichkeiten verschwinden zu lassen und den Menschen zu erlauben, für sich selbst und durch sich selbst zu entscheiden.
Konkret bedeutet das, dass wir uns in allen Städten und in allen Dörfern organisieren müssen, um eine breite, vereinigte Front aufzubauen, die ein Programm der radikalen Veränderung entlang folgender Axen teilt:
- Direkte Demokratie
Das Einsetzen von Volksversammlungen (assemblées populaires), die für alle Einwohner*innen offen sind, in jeder Kommune, in jedem Stadtteil, Dorf oder Weiler, in denen die Entscheidungen ohne Delegation der Macht getroffen werden, nach dem Prinzip „1 Person = 1 Stimme“.
- Konföderation
Die Kommunen sollen sich in einem konföderalen System koordinieren, parallel zum staatlichen System, in dem jede Ebene (lokal, regional, national, kontinental …) ihre Delegierten, die ans imperative Mandat gebunden und rückrufbar sind, auf die nächsthöhere Ebene entsendet, um die Stimme ihres Kollektivs zu vertreten.
- Soziale Ökologie
Da die Ressourcen des Planeten begrenzt sind, müssen die Produktionsmittel demokratisch verwaltet werden. Die Einwohner*innen sollen direkt und nach ihren realen Bedürfnissen entscheiden, mit Rücksicht auf Einschränkungen, die durch physikalische Gesetze und die Koexistenz mit anderen Tieren und Pflanzen gegeben sind, wie sie diese Ressourcen aufteilen, damit sie von grösstmöglichem Nutzen sind. Dies muss einhergehen mit einer Reduzierung der Produktion und mit einer drastischen Verbesserung ihrer Qualität.
- Wiederaneignung der Allmende (les communs)
Im Bereich der Stadtplanung (Grünflächen, Wohnungen, Verkehr) oder der Energie (Wasser) ist es auf kommunaler Ebene möglich, Inseln des Widerstands gegen den kapitalistischen Raubbau zu bilden, der sich ohne Unterlass an den gemeinen Gütern (biens communs) bedient.
- Gerechte Verteilung des Reichtums und der Arbeitszeit
Immer mehr zu arbeiten, um mehr zu produzieren und damit mehr zu verschmutzen, ist unhaltbar und führt uns direkt in die Katastrophe. Die Arbeitszeit muss reduziert werden und der Reichtum muss gerecht verteilt werden. Die krankhafte Akkumulation, die vom Kapitalismus gefördert wird, soll verboten werden, und das Einkommen jener, welche die schwersten oder nützlichsten Arbeiten verrichten, darf maximal zehn Mal so hoch sein wie dasjenige der übrigen Einwohner*innen.
- Feminismus, Antirassismus und Dekolonisierung
Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, herkunft oder auch Religion muss abgeschafft werden. Um dies zu erreichen, ist es absolut notwendig, der ganzen Diversität der repräsentierten Bevölkerung die Macht zurückzugeben. Alle Mandate müssen deshalb mindestens zu 50 Prozent durch Frauen besetzt werden und die Diversität der repräsentierten Bevölkerung berücksichtigen. Gleichzeitig muss eine echte Strategie für den Kampf gegen Diskriminierung entwickelt werden, die auf der lokalen Ebene beginnt, mit Prävention, Sensibilisierung und direkten Interventionsmöglichkeiten im Fall von rassistischen oder sexistischen Handlungen.
Dieses Gesellschaftsmodell, das von dem Philosophen Murray Bookchin theoretisiert wurde, mag utopisch erscheinen, aber mehrere Beispiele beweisen das Gegenteil. Es funktioniert seit über zehn Jahren in Rojava (Nordsyrien) seit der Befreiung von Daesh durch kurdische Kräfte und ihre fortschrittlichen Verbündeten; und seit 1994 in einer anderen Form in Chiapas in Mexiko. Näher bei uns, hat es auch in Frankreich funktioniert, zur Zeit der Pariser Kommune.
Dieser Text ist eine Roadmap (feuille de route) und ein geteilter Befund, aber jede lokale Situation ist verschieden: in Bezug auf Grösse, geografische Situation, historischen und sozialen Kontext, administrative Situation (Grossstädte, ländliche Gegenden, Interkommunalität etc.). Deshalb sollte die politische, technische, aber auch strategische Umsetzung jeweils angepasst werden, damit sie möglichst nah bei den Bedürfnissen der Einwohner*innen ist und nicht ein rigides Modell, das von oben auferlegt wird.
Wir rufen deshalb dazu auf, überall, wo es möglich ist und ohne weiter abzuwarten, libertäre munizipalistische Listen zu schaffen oder Allianzen beizutreten, die es erlauben, die Voraussetzungen für Kommunalismus und soziale Ökologie einzuführen.
Erstunterzeichnende: l’Offensive, PEPS, Sainté Populaire (Saint-Étienne), collectif Nosotros (Marseille), Oh les coeurs O.L.C (Haubourdin), Action Antifasciste NP2C (Nord Pas-de-Calais)